Besinnliches zur Weihnachtszeit (2020)

Klärchen zwinkert mir, so um die Mittagszeit, schlaftrunken gerade so über den Dachfirst des Nachbarhauses lugend, aber immer noch freundlich, zu.
In ein paar Stunden schon geht’s wieder ab in die Federn. Die verpennte Zeit holt sie dann um die Johannisnacht herum nach.
Zeit für mich, die alljährlichen Weihnachtsvorbereitungen zu starten. Dies’ Jahr ist natürlich alles anders. Entspannter, besinnlicher vielleicht (wenn man es denn positiv werten will). Wir werden sehen.
Versehentlich habe ich beim Fleischer eine Weihnachtsgans bestellt. Bis ich begriffen hatte, dass zwischen Ente und Gans so um die drei Kilo Unterschied liegen, hatte ich die Order bereits aufgegeben.
Und nun treibt mich die Frage um, wie ich es schaffe, der lieben Gans ein würdiges Begräbnis auf meinem Tisch zu bescheren.
“Du sollst nicht umsonst gestorben sein!” rufe ich ihr zu.
Da, wo ich früher vielleicht die liebe Oma oder das Mütterlein konsultiert hätte, muss ich nun auf die digitale Bekanntschaft zurückgreifen.

Meine Recherche zum Thema “Gans am Vortag zubereiten” führte mich zu einem bemerkenswerten Beitrag.
7 goldene Regeln zum Braten einer Gans
Regel 4: “Gekonnt bridieren
“Ha”, dachte ich bei mir, “das ist doch was. Mach doch mal was vernünftiges. Bridier doch mal! Und zwar gekonnt.”
Es stand geschrieben: “Beim … Bridieren verschnürt man die Gans mit Küchenspagat wie ein Geschenkpaket.”
Schade nur, dass ich gerade kein Küchenspagat bei der Hand hatte.
Oder vielleicht bei der Hand gehabt haben können würde aber keine Ahnung davon hätte, was das denn eigentlich ist, so ein Küchenspagat.
Wozu hat man denn nun Freunde und Messenger-Dienste? Ich fragte in die Runde: “Hat jemand etwas Küchenspagat übrig? Ich muss bridieren.”
Die Antwort ließ sich in etwa so zusammenfassen: “Hä?”
Einzige Ausnahme: mein lieber und wortgewaltiger Freund Rainer. Der nämlich antwortete: “Kann grad nicht, bin am epibrieren.”
Da ich ja nun ohnehin kein Küchenspagat hatte oder nicht wusste, was ich da in der Hand haben müsste, schien es mir naheliegend, mich umzuorientieren und nun doch lieber so wie der liebe Rainer, zu epibirieren. Was der kann, kann ich auch!
Bei der anschließenden Recherche stellte ich begeistert fest, dass mir das epibirieren viel, viel näher liegt als das bridieren.
Das Epibrieren (Epibireren) ist eine Kunst, die über einen niederländischen Kolumnisten namens Simon Carmiggelt Eingang erst in die niederländische und von dort in die englische und auch deutsche Sprache fand. Gebraucht wird es immer dann, wenn man andere damit beeindrucken möchte, dass man gerade etwas ganz Wichtiges zu tun hat ,in Wirklichkeit jedoch die Füße hoch legt und die Nasensteine extrahiert.
Überdies benötigt man zum Epibirieren kein Küchenspagat, zum Bridieren aber schon.

Ps: Das Zubereiten des Vogels muss ich leider meiner liebe Gattin allein überlassen, da ich noch das vorliegende Schreiben epibrieren muss.
Wenn sie aber mit der rohen Küchenarbeit fertig ist, werde ich ihr helfen, die Gans in Ermangelung eines Küchenspagats und überdies wesentlich zeitgemäßer, im Amazon-Karton in die Röhre rein zu bridieren.
Das für mich neue und schöne “epibrieren” bekommt einen Platz in meiner Lieblingsschublade unten links, gleich neben dem geheimnisvollen Wort “bamboozled”, welches seinerzeit Herr Zappa in dem Liedchen “Bamboozled by love” unter’s Volk brachte. Aber das ist eine ganz andere Weihnachtsgeschichte.

Pps: Auf dem Weihnachtsbildchen habe ich noch einen Gast aus fernem Land hinzugefügt. Der steht gleich rechts neben der schwarzen Holzfigur.
Er kommt aus dem Erzgebirge, einer leicht bergigen Gegend, deren Haupteinnahmequelle Schwippbögen sind.

Ppps: Für all jene, die es ganz genau wissen wollen:
https://www.servus.com/rezepte/7-goldene-regeln-zum-braten-einer-gans/
https://www.directdutch.com/2013/10/word-of-the-day-epibreren-epibrate/