Trommel, Pfeife und Gewehr

Die vermutlich am seltensten gesungenen aber dennoch bekannten Weihnachtslieder dürften wohl “Morgen Kinder wird’s was geben” und sein zweieiiger Zwilling “Morgen kommt der Weihnachtsmann” sein. Zu singen ausschließlich am 23.12., dann kommen die weihnachtlichen Eintagsfliegen wieder ab in die Kiste.
Und um diesen benachteiligten Seelen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, wird der familiäre Weihnachtsrummel bei mir seit Jahren mit dem gemeinsamen Absingen der beiden Erwartungshymnen an eben jenem Dreiundzwanzigsten eingeläutet.
Besonders das zweite, “Morgen kommt der Weihnachtsmann”, beeindruckt durch die klare, unverstellte Äußerung des frommen, kindlichen Wunsches

Trommel, Pfeife und Gewehr, Fahn’ und Säbel und noch mehr,
ja ein ganzes Kriegesheer, möcht’ ich gerne haben

Dagegen nehmen sich heutige Wunschlisteneinträge wie Doom 3, ein Laserschwert und das Ninja-Killerset von LEGO doch vergleichsweise harmlos aus.
Zarter besaitet kommt der Zwillingsbruder daher, wenn auch der Titel bereits unterschwellig bedrohlich klingt. “Morgen Kinder, wird’s was geben” klingt wie die Verheißung einer aufgeschobenen körperlichen Züchtigung. Zum Schluss versöhnt das relativ ungeläufige Liedende, in welchem die Kinder der “guten Eltern” ermahnt werden mit:

O gewiss, wer sie nicht ehrt, ist der ganzen Lust nicht wert!

Jawoll, ihr Gören schreibt euch das hinter die Löffel und jetzt Zähneputzen und ab in’s Bett!
Ich ergötze mich alljährlich am erschreckten Gesichtsausdruck meiner lieben Gemahlin während wir die Schätzchen deutschen Liedgutes intonieren. Vielleicht rührt ihre gequälte Mimik aber auch daher, dass ich persönlich am Klavier begleite.