Gabrijel gibt Gummi

Dieser Artikel wurde in der Badischen Zeitung vom 13.2.24 auch-widrigkeiten-koennen-ihn-nicht-bremsen veröffentlicht.

Im Oktober 2023 belegte Gabrijel Hofmann aus Heitersheim einen hervorragenden dritten Platz bei der deutsch Kart-Meisterschaft. Wie eigentlich läuft so ein Rennen ab, wenn der Rennfahrer 12 Jahre alt ist?

Der zurückliegende Oktober war der regenreichste Oktober seit 20 Jahren.
Deshalb war es klar, dass der 12-jährige Gabrijel Hofmann und sein Renn-Team sich auf eine nasse Fahrbahn einstellen mussten.
Ein wichtiges Rennen für den jungen Rennfahrer aus Heitersheim: der ADAC Kart Bundesendlauf in Kerpen bei Köln.
Da gibt es verschiedenste Rennklassen, die von den Nichtexperten schwer zu unterscheiden sind.
So gibt es die ROTAX-Klassen von Micro mit 8 PS bis DD2 mit 34 PS. ROTAX ist ein Hersteller von Motoren, speziell für Karts. So ein Kart ähnelt einer hochgezüchteten Seifenkiste auf Speed und bringt je nach Klasse 100-120 km/h auf die Strecke.
Dabei geht die kleinste, die Micro-Klasse in Deutschland bei den Achtjährigen los. Da Gabrijel aber bereits mit sechs Jahren
die ersten Schübe von Benzin durch die Kinderadern strömen spürte und auch der Vater das Strömen zu vernehmen meinte, fuhr er bereits mit sechs seine ersten Rennen in der Deutsch-Niederländischen Meisterschaft. Die Holländer zeigten sich bezüglich des Alters entspannter.
Und nun fuhr er bereits sein letztes Rennen in der Mini-Klasse, bevor er in diesem Jahr in die nächste, die Junior Klasse aufsteigen wird.
Bereits am Donnerstag ist er mit seinem Vater, dem Mechaniker und dem Team Chef angerückt.
Am Freitag die üblichen fünf Trainings-Sessions, jeweils um die 15 Minuten. Der Motor, der zum Einsatz kommt, ist übrigens nicht der Trainingsmotor. Der für das Rennen wird nur für das Rennen gemietet. Der Trainingsmotor wäre sonst zu schnell verschlissen. Doch diesmal läuft es nicht gut. Der Motor stottert die ganze Zeit und läuft nicht rund.
Erst bei der vorletzten Trainingsrunde stellt der Techniker fest, dass die Zündkerze nicht richtig festgeschraubt war.
Wertvolle Trainingszeit verrinnt. Nun ist die letzte Trainingsrunde mit intaktem Motor um so wichtiger. Gabrijel muss sich auf den Motor einstellen und der Techniker muss die letzten Feineistellungen vornehmen. Und genau dann reißt der Gaszug.
Gabrijel muss ohne Vortraining in die ersten Rennen starten. Eine schlechte Ausgangsposition.
Der Samstag kommt, die Vorrennen beginnen. Gabrijel war früh im Bett. Höchste Konzentration ist bei den Rennen angesagt. Bei den Geschwindigkeiten hat nicht nur die Nackenmuskulatur gegen den Winddruck vom Helm anzukämpfen. In den Kurven wirken so starke Kräfte, dass der Körper des Jungen in die Seiten der Sitzschale gedrückt wird. Das hat mit Physik zu tun und nennt sich g-Kraft und die tut weh, wenn man nicht selbst genug Kraft dagegen zu setzen hat.
Das erste WarmUp des Tages gibt ihm Gelegenheit, das Setup der Maschine zu testen. Aber da bereits hier entschieden wird, wer im nächsten Rennen von welcher Position startet, muss er bereits jetzt tüchtig auf das Pedal treten. Außerdem regnet es. Natürlich. Aber Gabrijel kommt recht gut mit Regen klar.
Es folgen dann zwei weitere Läufe am Samstag, “Heat 1” und “Heat 2” heißen die. Am Ende des Tages steht er diesmal auf Position drei. Gabrijel ist zufrieden, der Coach ist es auch. Mit dieser Startposition kann er gut in das erste von den zwei Finalläufen am Sonntag starten.
Der Sonntag beginnt – mit Regen. Schon wieder. Diesmal fast ohne Unterbrechung.
Das erste von den zwei für heute angesetzten Finales beginnt. Gabrijel hat beim Start keine Angst. Er ist konzentriert. Vor einem Rennen meditiert er gern. Das hat ihm sein Trainer beigebracht. Ein stiller Ort, manchmal muss der Transportwagen des Karts genügen, an den er sich vor dem Rennen zurückzieht. An nichts, gar nichts denken und – atmen, langsam: ein, aus, ein, aus.
In dieser Klasse gibt es einen “fliegenden Start”. Die Teilnehmer fahren eine erste Runde und ordnen sich gemäß ihrer Startposition in eine der beiden Gassen ein. Und dann los. Es beginnt großartig. Er führt das Feld an. 34 Fahrer hinter ihm. Plötzlich ein harter Stoß. Er findet sich in der Seitenplanke wieder. Gabrijel wurde von einem anderen Fahrer “abgeschossen”, so heißt das, wenn jemand nach einem Touchieren aus der Bahn geworfen wird. Das ist nicht unüblich. Es passiert halt.
Ehe er weiterfahren kann, sind alle anderen Fahrer an ihm vorbeigezogen. Und trotzdem gelingt es ihm, auf dem neunten Platz zu landen.
Daraus resultiert seine Startposition im ersten, im entscheidenden Finale. Es hätte die Poleposition, die erste Position sein können, hätte nicht zuvor… Hätte, hätte: das interessiert niemanden hier. Sein Coach hat ihm bereits beigebracht, mit solch schwierigen Situationen umzugehen. Nach vorn, nach vorn. Das Rennen läuft glatt über die Bühne. Gabrijel hat einen großartigen dritten Platz bei der deutschen Kart Meisterschaft in den ROTAX Mini-Klasse belegt. “Also überholen kann er auch”, kommentiert sein Vater mit unverhohlenem Stolz.
Ist das eigentlich die wichtigste Platzierung in deiner so jungen Laufbahn? “Nein, 2020 habe ich ein Ticket für die Weltmeisterschaft in Portugal erworben. Die Reise war vorbereitet, das ist schon ein ganz schöner Aufwand. Und dann kam Corona und die WM wurde abgeblasen. Nun hängt das Ticket bei uns zu Hause an der Wand.”
Die Energie und der Enthusiasmus mit dem Vater und Sohn zugange sind, lässt vermuten, dass das nicht das letzte WM-Ticket gewesen ist, mit dem Gabrijel für seine Leistungen geehrt wird.