Alles Rot

Erschienen in Badische Zeitung 31.08.2023 “Wie der Bergbau schon in der Steinzeit nach Sulzburg kam

An einem Dienstag vor gut 7000 Jahren rief Herr Beyerle seiner Gattin verärgert zu: “Nun ist das Vieh schon wieder ausgebüxt”, bevor er sich das Fell um die Schultern legte und auf den Weg in den Wald machte, in den die Kuh wohl verschwunden sein mochte. Sein Großvater war noch Jäger gewesen, seine Großmutter mütterlicherseits Sammlerin. Nun, in der Jungsteinzeit, war man doch eher geneigt, die Viecher einzuzäunen und drum herum Beete anzulegen, statt tagelang mit ungewissem Ausgang durch die Wälder zu streifen.


Das rächte sich nun, musste Herr Beyerle doch nun ungeübt die steilen Hänge hinankraxeln. Lange irrte er herum im Berg, der dort, wo heute Sulzburg vor sich hindöst, steil bergan führt. Doch plötzlich stieß er auf eine rote Farbschicht, die sich da oben an einem Berghang über etliche Meter hinzog.
Das war ein erstaunlicher Fund, den der Herr Beyerle da gemacht hatte. Natürlich wusste er nicht, dass es sich dabei um Hämatit oder auch Fe2O3 handelte, denn es gab ja weder Geologen noch Chemiker, aber dass man mit diesem roten Gestein, wenn man es fein zermalte, ein ganz ausgezeichnet tiefrotes Pulver erhielt, mit dem man sich selbst aber auch die zu bestattenden ehrwürigen Toten einreiben konnte, das wusste er sehr wohl.
In Gegenden wie zum Beispiel Hessen, das damals aber noch nicht so hieß, lag Hämatit einfach so auf dem Feld rum, da brauchte es nicht viel Aufhebens um sich die Stirn rot zu färben. Aber hier, im Markgräfler Land? Da war das außergewöhnlich. Behand deckte Herr Beyerle den Fundort mit Zweigen ab und eilte zurück nach Hause, wo die vermisste Kuh sich mittlerweile längst wieder eingefunden hatte.
Er rief seine beiden Söhne zu sich und trug ihnen auf, handtellergroße Steine aus dem Rhein zu sammlen und mit diesen bewaffnet machte er sich in Begleitung seiner Söhne am nächsten Tag wieder auf den Weg zurück in die Berge.
Auf dem Weg erlegte der jüngste Sohn mit einem gezielten Steinwurf ein nichtsahnendes Reh. Am Fundort angelangt entzündeten sie ein Feuer und ließen sich alsbald den Braten schmecken. Außerdem benutzten sie die Tiersehnen, um die Steine am dickeren Ende eines geeigneten Astes äußerst stabil zu befestigen. Mit ihren selbstgefertigten Outdoor-Werkzeugen hämmerten Beyerle Senior und Söhne auf den Berg ein, was das Zeug hielt. Und das hielt leider nicht sehr viel. Bis zur Bronzezeit waren es noch gut 3000 Jahre hin. Bis dahin musste man sich eben mit Stein behelfen. Da aber der Stein ungefähr die gleiche Härte aufwies, wie der Stein den sie behämmerten, war der Verschleiß sowohl an Kraft als auch an Werkzeug sehr hoch. Es war eine mühsame Arbeit. Mit der Zeit war auch der oberflächlich liegende rote Stein bald abgekratzt und gehackt. Man musste, immernoch nur mit Steinhammer bewaffnet, tiefer in den Berg eindringen. Und so begannen die Männer einige Jahre später, mittlerweile waren sie schon zu einem KMU (Klein- und mittelständigen Unternehmen) herangewachsen, dort, wo es sich besonders zu lohnen schien, das Werk, welches die Archäologie später als einen herausragenden Beleg für den Bergbau schon in der Jungzeit werteten. Sie gruben, vermutlich über einen Zeitraum von hundert oder mehr Jahren hinweg tiefer und tiefer, bis sie, wenn man ihr Werkzeug berücksichtigt, auf die erstaunliche Tiefe von gut 2,5 Meter reichten.
Von den Funden in Sulzburg und ähnlichen Funden in Münstehalden berichtete Dr. Guntram Gassmann, Spezialist für Montanarchäologie biem Landesamt für Denkmalpflege in einem Vortrag, den er am Montag in Sulzburg vor einem erstaunlich zahlreich erschienenen Publikum hielt.
Natürlich kannte Dr. Gassmann den Herrn Beyerle nicht persönlich und selbst ob es ihn gab, sei dahingestellt. Aber die Spuren, die das Werkzeug im Fels hinterlassen hatte, und an dem man als Laie unbekümmert vorbeigewandert wäre, ohne sie zu bemerken, sprachen für sich. Neben den Spuren im Gestein wurden abgeschlagene Steine gefunden, mit denen auf den Fels eingehämmert und das Hämatit zerbröselt worden war. Und das Feuer, auf dem Herr Beyerle den Rehbraten zubereitet haben mag, ermöglichte mit der C14-Methode eine recht genau Rückdatierung der Funde, ob es aber ein Dienstag war, ist in Wirklichkeit nicht bekannt.