Martel Schwichtenberg – wie in einem letzten großen Aufbäumen

Veröffentlicht in Badische Zeitung 09.05.2023 “Martel Schwichtenberg – wie in einem letzten großen Aufbäumen

Umtriebige, kreative Menschen bereichern unser Leben.
Sie tun Dinge, vor denen wir zurückschrecken, leben an Orten, die wir vielleicht von Postkarten kennen,
kurzum: sie gehen ihren ganz eigenen Weg und manchmal leben sie ihren Traum.
Wenn sie dann noch künstlerisch veranlagt sind, lassen sie die Betrachter teilhaben an diesem turbulenten Leben, das sie mal verflucht und mal genossen haben mögen.
Nun bietet sich die Gelegenheit, dem Spätwerk Martel Schwichtenbergs, einer Malerin und Grafikerin, die bis zu ihrem frühen Tod 1945 vor allem, aber nicht nur in Deutschland gewirkt hat, zu begegnen.
Die Künstlerin hat sich am Leben abgearbeitet. Dass sie sich dabei von der Avantgarde jener Zeit einiges abgeschaut hat und letztlich dazu gehörte, sieht man auf den ersten Blick.
Sie war an etlichen Orten in Deutschland zu finden. Hannover, Düsseldorf, Hagen. Einer lange währenden Zusammenarbeit mit Bahlsen verdankte sie ihr tägliches Auskommen und Bahlsen unter anderem sein noch heute verwendetes Logo.
Die Goldenen Zwanziger verbrachte Sie, wo sonst, in Berlin, nun schon mit eigenem Atelier.
1933, unmittelbar nachdem in Deutschland die Nazis die Macht übernommen hatten, emigrierte sie nach Südafrika und baute dort mit ihrem Freund eine Töpferwerkstatt auf. Fünf Jahre später brannte das Haus nieder, darin ein wichtiger Teil ihrer Arbeiten. Doch damit nicht genug, ein privater Besuch in München fiel unmittelbar mit dem Beginn des Krieges zusammen und verhinderte die Rückreise. Sie blieb in Deutschland, zog sich zurück. Depressionen und Alkoholsucht begannen, ihr Leben zu bestimmen. Doch sie fand einen Rückzugsort. Die Gräfin von Stein-Zeppelin nahm sie im Meierhof in Laufen bei Sulzburg auf.
Wie in einem großen Aufbäumen entstanden in ihren letzten Lebensjahren vor allem auch jene Aquarelle, die nun in der Sulzburger Ausstellung zu sehen sein werden und zu denen die Künstlerin in ihrem Tagebuch vermerkte: “ganz großer Durchbruch”.
Das Kriegsende durfte sie noch miterleben, doch im Juli 1945 hatte sie dem Krebs nichts mehr entgegenzusetzen. Sie wurde 49 Jahre alt.

Im Jahr 2019 begann die Sulzburger Bildhauerin Ellen Baumbusch zusammen mit Pierre Wechlin als Mitinitiator nach einer Idee von Rolf Nacke ein faszinierendes Projekt, die “Sulzburger Köpfe”. Das Projekt wurde von der Stadt Sulzburg durch die Kulturamtsleiterin Dr. Hanna Jegge unterstützt.
Zunächst erschuf Ellen Baumbusch eine Porträtbüste von Gustav Weil, der 1808 in Sulzburg geboren, als Orientalist die “Märchen aus 1001 Nacht” als erster aus dem Arabischen in das Deutsche übersetzte. Die Büste steht nun im Sulzburger Rathaus.
Auf der Suche nach weiteren Personen, die in enger Verbindung zur Stadt Sulzburg standen, fiel die Wahl auf die Malerin Martel Schwichtenberg. In der Vorarbeit zu dem Projekt kontaktierte die Bildhauerin auf der Suche nach weiterem Material Aglaja von Rumohr, die Tochter der Gräfin von Stein-Zeppelin. Die Suche war überaus erfolgreich. Auf dem Anwesen fand sich eine Mappe, gefüllt mit Aquarellen, Skizzen und weiteren Werken der Künstlerin. Was da im Dunkeln über Jahrzehnte hinweg vor sich hin schlummerte kam nun, mehr als verdient, an’s Tageslicht. Eine Ausstellung wurde geplant und platzte wegen der Pandemie.
Mittlerweile hat Ellen Baumbusch die Büste der Malerin vollendet. Sachlich, zweifelnd, etwas schnippisch vielleicht, blickt sie dem Betrachter direkt in’s Gesicht. Zu sehen sind neben dieser Büste und den Aquarellen auch Ölbilder und Skizzen in der Ausstellung “Martel Schwichtenbergs Spätwerk in Laufen”, die am 10.Mai um 18:00 im Rathaus Sulzburg mit einer Vernissage eröffnet wird. Geöffnet ist die Ausstellung bis zum 7. Juni, von Montag bis Freitag zwischen 8 und 12 Uhr sowie am Donnerstag von 14 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.
Ein Tipp: am Freitag ist vor dem Rathaus Wochenmarkt. Wurst, Käse, Eier, Fisch. So lassen sich das Nützliche und das Schöne auf perfekte Weise vereinen.