Kunsthaus Zürich

“Zweiä Pizza und zweiä halbä Liter Wasser, mache 52 Franken”, strahlt mich der mit schwerem italienischem Akzent sprechende Kellner an. Ja, meine Frau und ich sind in Zürich, einer der Städte, die eigentlich den Reichen und den Schönen vorbehalten scheint. Aber wenn man cleverer ist als wir, hat man was zu Trinken im Gepäck und isst dann eben abends warm, wenn man wieder zu Hause ist.
Aber vor allem sind wir im Kunsthaus Zürich. Die Ausstellung hat es als Shooting Star direkt auf Platz eins der gar nicht mal so kurzen Liste der von meiner Frau und mir besuchten Kunstausstellungen geschafft. Ist eine Marotte von uns. So wie andere Papierflieger bauen, Pilze sammeln oder Untersetzer häkeln.

Kunstausstellungen sollen zunächst einmal gepflegt sein. “Gepflegt” meint die Butter-und-Brot Version von stylisch, hat viel mit aufgeräumt und strukturiert zu tun. Dann soll da Platz sein. Große Räume. Die sind unverzichtbar wenn man die Impressionisten anschauen will. Da entfalten die Gemälde oft erst mit einem Abstand von acht oder zehn Metern ihre volle Wirkung. Ein weiterer Grund, weshalb ich keinen Monet zu Hause hängen hab’. Gutes Licht ist wichtig. Vor allem keine direktes Sonnenlicht auf Gemälde, die mit einem unzureichend entspiegelten Glas geschützt sind.
Und möglichst nicht so gut besucht. Wie soll ich mich in die verschrobene Tierwelt eines Chagall versenken, wenn alle Nase lang jemand sich dazwischen stellt und knipst. Aber ich geb’ ja zu: alle sollen gucken dürfen.
Mein Schockerlebnis war der Besuch des Louvre in Paris. Der Raum, in dem die Sixtinische Madonna hing, war ausreichend groß. Und vollgestopft mit Besuchern. Die drängten in vau-förmiger Anordnung von beiden Seiten zu dem Platz direkt vor dem Bild. Dort angekommen drehte sich die Mehrzahl der jungen und auffällig oft asiatischen Aspiranten mit dem Rücken zum Bild, setzte das schönste Madonna Gesicht auf und hatte – klick – das Selfie mit der echten Madonna im Kasten, sprich Handy. Die Madonna tat, was sie immer tat. Sie lächelte unergründlich. Weglaufen konnte sie ja nun mal nicht.
Inspirierend soll eine Kunstausstellung auch sein. Inspiration in Kunstausstellungen artet bei mir im allgemeinen in Fotos aus, in denen ich mich in despektierlicher Pose neben einem Kunstwerk in Szene setze. Meiner Frau ist das oft peinlich. Sie muss ja knipsen. Und die Leute gucken. Mir ist das ja auch peinlich. Aber ich mach das ja nicht aus Spaß.
Es ist kein Zufall, dass eine ganze Reihe der Fotos aus dem Kunsthaus genau diesem sehr speziellen Genre angehören.
Die Fotos aus dieser Seite sind somit auch keine Dokumentation der ausgestellten Werke sondern beweisen einmal mehr, wieviel Spaß man in einer guten Gemäldeausstellung haben kann.

Wir sind uns auch menschlich näher gekommen.

Es durfte getanzt werden.

Musste aber nicht. Man durfte auch nur so stehen und gucken.

oder man durfte einfach so dasitzen und auf das Bild aufpassen.

Kindliche Neugierde und Voyeurismus: die Grenzen verlaufen oft fließend.

Selbst wenn man sich auf den Kopf stellt: auf keinen Fall sollte die Grenze des Sittlichen überschritten werden.

Die Schildkröte soll sich während des Modellstehens nicht ein einziges Mal bewegt haben,

ist nach der Modellsteherei aber direkt wieder in den Teich abgetaucht.

Wir haben uns dann noch eine ganze Weile nett unterhalten.
Über angemessene Bekleidung im Museum und so.

Offenbar hatten wir uns verquatscht. Als ich rausging, waren alle Bilder schon weggeräumt.

Nur ein lädierter Kopp war übrig. Den wollte wohl niemand haben.

Auf gleicher Augenhöhe: so soll Kunst erlebt werden.